Hyperglykämie, Insulin und Kaliummangel

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Fachinformation

Die Stoffwechselbeziehung zwischen Hyperglykämie, Insulin und Kalium ist von zentraler klinischer Bedeutung, insbesondere bei Diabetes mellitus und diabetischen Notfällen.

**Hyperglykämie** bezeichnet erhöhte Blutglukosespiegel (>126 mg/dl nüchtern, >200 mg/dl postprandial). Ursachen sind absoluter oder relativer Insulinmangel bei Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2, Stress, Infektionen, Medikamente (z.B. Glukokortikoide) oder endokrine Erkrankungen.

Chronische Hyperglykämie führt zu:
• Mikrovaskulären Komplikationen (Retinopathie, Nephropathie, Neuropathie)
• Makrovaskulären Komplikationen (KHK, Schlaganfall, pAVK)
• Akuten Entgleisungen (diabetische Ketoazidose, hyperosmolares Koma)

**Insulin** ist das zentrale anabole Hormon zur Glukoseregulation. Es wird in den β-Zellen des Pankreas produziert und bewirkt:
• Glukoseaufnahme in Muskel- und Fettgewebe (über GLUT4-Transporter)
• Hemmung der hepatischen Glukoneogenese
• Förderung der Glykogensynthese
• Lipogenese und Proteinsynthese

**Kalium und Insulin**: Insulin fördert aktiv die zelluläre Kaliumaufnahme durch Aktivierung der Na⁺/K⁺-ATPase. Bei Insulingabe verschiebt sich Kalium aus dem Extrazellulärraum (Plasma) in die Zellen, was zu einer **Hypokaliämie** führen kann.

**Klinische Relevanz**:
Bei diabetischer Ketoazidose (DKA) liegt oft ein Gesamtkörper-Kaliummangel vor, der initial durch Azidose maskiert wird (Kalium wandert aus Zellen ins Plasma). Bei Insulintherapie und Azidosekorrektur sinkt der Plasma-Kaliumspiegel rapide ab → lebensbedrohliche Hypokaliämie mit kardialen Arrhythmien, Muskelschwäche, Paresen.

**Labordiagnostik**:
• Glukose: Nüchternblutzucker, HbA1c (Langzeitkontrolle)
• Insulin, C-Peptid (endogene Insulinsekretion)
• Kalium im Serum (Normalbereich 3,5-5,0 mmol/l)
• BGA bei Azidose-Verdacht (pH, Bikarbonat, Laktat, Ketonkörper)

**Therapeutisches Management**:
• Insulintherapie bei Hyperglykämie mit engmaschiger BZ-Kontrolle
• Prophylaktische oder therapeutische Kaliumsubstitution (meist 20-40 mmol K⁺/h i.v.)
• Elektrolyt-Monitoring alle 2-4h während intensivmedizinischer Behandlung
• Ziel-Kaliumspiegel vor Insulingabe: >3,3 mmol/l

🧠 Wissenstest

Testen Sie Ihr Verständnis mit diesen Fragen:

1. Warum kann es bei Insulintherapie zu einer Hypokaliämie kommen?
  • a) Insulin hemmt die Kaliumaufnahme im Darm
  • b) Insulin fördert die renale Kaliumausscheidung
  • c) Insulin aktiviert die Na⁺/K⁺-ATPase und verschiebt Kalium in die Zellen
  • d) Insulin zerstört Kalium
Erklärung: Insulin aktiviert die Na⁺/K⁺-ATPase, wodurch Kalium aktiv aus dem Extrazellulärraum (Plasma) in die Zellen transportiert wird. Dies senkt den messbaren Plasma-Kaliumspiegel.
2. Was ist bei diabetischer Ketoazidose bezüglich Kalium zu beachten?
  • a) Kalium ist immer erniedrigt
  • b) Initial kann Kalium normal/erhöht sein trotz Gesamtkörpermangel (Azidose-Effekt)
  • c) Kalium spielt bei DKA keine Rolle
  • d) Kaliumsubstitution ist kontraindiziert
Erklärung: Bei DKA liegt meist ein Gesamtkörper-Kaliummangel vor, der durch Azidose maskiert wird (K⁺ wandert aus Zellen). Initial kann Plasma-K⁺ normal oder sogar erhöht sein. Bei Insulintherapie und Azidosekorrektur sinkt K⁺ rapide → kritische Hypokaliämie.
3. Welcher Laborparameter dient der Langzeitkontrolle der Blutglukose?
  • a) Nüchternglukose
  • b) C-Peptid
  • c) HbA1c
  • d) Insulin
Erklärung: HbA1c (glykiertes Hämoglobin) reflektiert die durchschnittliche Blutglukose der letzten 8-12 Wochen und ist der Goldstandard für die Langzeitkontrolle bei Diabetes mellitus.

📖 Quellenangaben

S3-Leitlinie Therapie des Typ-1-Diabetes clinical_guideline
S2k-Leitlinie Hypoglykämie clinical_guideline
Diabetes UK: Diabetic Ketoacidosis (DKA) patient_guideline
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