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(Newman, 2001).
Wenn von Gesundheit gesprochen wird, so wird diese oft als das „höchste Gut“ bezeichnet. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich Menschen mit ihrer Gesundheit und Krankheit intensiv auseinander setzen und dabei ein großes Interesse an damit verbundenen Informationen haben.
Der Begriff „Patientenkompetenz“ findet sich in der älteren Literatur so gut wie nie. Bedeutet das, dass es vorher keine kompetenten Patienten gegeben hat? Vermutlich wurden diese nicht so benannt oder es wurde einfach nicht darüber gesprochen. Ab dem Jahr 2000 taucht dieser Begriff häufiger auf und tritt somit in das Bewusstsein der Gesellschaft (Bopp, Nagel & Nagel, 2005). Das Empowerment-Konzept geht davon aus, dass die in jedem Menschen vorhandenen Fähigkeiten entsprechende Rahmenbedingungen zur Entfaltung brauchen (Rappaport, 1985). Die Wurzeln des Empowerments selbst liegen in den 60er Jahren, vor allem in den Frauenbewegungen, Bürgerrechtsbewegungen und der Alphabetisierungskampagne von Paulo Freires (Freire, 1971).
Zunehmend findet im Gesundheitswesen auch der Begriff des Empowerments Verwendung (Burrows et al., 2000; Mc Kinlay & Marecau, 2002). Es wird dabei davon ausgegangen, dass alle Menschen als handlungsfähige Individuen über einschlägige Bewältigungsressourcen und -kompetenzen verfügen und das entsprechende Beteiligungsmöglichkeiten, Hilfen und Unterstützung zur Entfaltung dieser Fähigkeiten realisiert werden sollten (Feste & Anderson 1995; Lenz, 2002; Stark, 2002). Nach Müller-Mundt (2001) geht es nicht nur um die Herstellung der Compliance, sondern vielmehr darum, Betroffene soweit zu befähigen, dass sie mithilfe adäquater Informationen in ihrem Alltag unter Wahrung höchster Autonomie und Lebensqualität selbstbestimmend Entscheidungen bezüglich ihrer Versorgungskonzepte und Therapiegestaltung treffen können.
Für Herriger (2002) bedeutet Empowerment die Stärkung von Kompetenz und das Selbstbestimmungsrecht über die eigene Gesundheit. Weiters beschreibt es mutmachende Prozesse der Selbstbemächtigung, in denen Menschen in benachteiligten Situationen beginnen, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen, sich ihrer eigenen Ressourcen und Fähigkeiten bewusst werden und diese zu einer selbstbestimmten Lebensführung nutzen lernen. Somit zielt das Empowerment auf die (Wieder-) Herstellung von Selbstbestimmung über die Umstände des eigenen Alltags ab.
Durch die verstärkte Patientenorientierung und Patientenpartizipation im Gesundheitswesen eröffnen sich erhebliche Potentiale für die Bedarfsgerechtigkeit, die Wirtschaftlichkeit und die Qualität des Gesundheitssystems. Die Nutzer des Gesundheitswesens können unter der Voraussetzung der entsprechenden Informationen und Mitbestimmungsmöglichkeiten eine wichtige Ressource im Kampf gegen Qualitätsmängel, Unwissenheit und Verschwendung sein (Dierks et al., 2001).
BADURA (2000) vertritt den Standpunkt, dass die Bedürfnisse, Erwartungen und Prioritäten der Patienten bisher kaum gefragt waren, ihnen wurde unterstellt, dass sie durch entsprechende Akteure ausreichend (mit-) vertreten waren. Von Seiten der Ärzte herrschte eine paternalistische-autoritative Haltung im direkten Arzt-Patienten-Verhältnis. Der Patient sollte nur den Anweisungen des Arztes folgen (compliance), für die Durchsetzung der Patienteninteressen blieb aufgrund der asymmetrischen Machtverteilung kein Platz.
Häufig wird von Kritikern der Patientenpartizipation darauf hingewiesen, dass Patienten nicht am Entscheidungsfindungsprozess teilhaben wollen oder auch sonst kaum Interesse an fachlichen Informationen haben. Diese Aussagen lassen sich aber bisher nicht durch Studien bestätigen.
Wird dem Patienten im Behandlungsprozess ein größeres Ausmaß an Entscheidungskompetenz zugestanden und kommt es zu einer partnerschaftlichen Entscheidungsfindung, so spricht man vom „shared decision making“ (Badura & Schellschmidt, 1999; Feldmann-Stewart et al., 2000). Dieser Ansatz wird in der Arzt-Patienten-Beziehung oft als Idealmodell dargestellt, denn es ermöglicht dem Patienten Wünsche, Befindlichkeiten, eigene Präferenzen und Vorstellungen in den Entscheidungsfindungsprozess einfließen zu lassen. Laut Hurrelmann (2001) sollte sich in einer demokratischen Gesellschaft auch das Verhältnis zwischen Arzt und Patient demokratisieren, sowie deren Beziehung in Zukunft mehr durch aufeinander gerichteten Einfluss und wechselseitiges Aushandeln gekennzeichnet sein.
Verschiedene Studien haben versucht das Empowerment europäischer Staaten in einem Index abzubilden. Diese sind jedoch immer mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten und stets zu hinterfragen. Welche Daten spielen dafür eine Rolle und wie verlässlich sind diese? Durch welche Gewichtung ergibt sich der Gesamtscore? Aus Sicht einer dieser Studien hat Dänemark, vor Deutschland und Finnland den höchsten Patienten-Empowerment Index, Österreich belegt hier den 10. Rang (Health Consumer Powerhouse, 2009). Eine graphische Darstellung befindet sich im Anhang D. Gerade diese Studie gibt aber keine Auskunft über das Scoring oder welches „Health Performance Framework“ verwendet wurde, somit fehlen entscheidende Angaben über das Konzept und die Datenermittlungsmethodik. Obwohl diese Studie recht bekannt ist, kann sie als nicht verlässlich und repräsentativ eingestuft werden.
Um eine Förderung der partnerschaftlichen Strukturen im Gesundheitswesen zu schaffen, bedarf es Informationen die gewisse Qualitätskriterien auf unterschiedlichen Ebenen berücksichtigen und leicht auffindbar sind.
1.) Medizinisch fachliche Qualität: Die inhaltliche Qualität sollte sich auf aktuell wissenschaftlichen Stand befinden und möglichst evidenzbasierd sein. Erstrebenswert ist auch die Nennung der jeweiligen Vor- und Nachteile einer jeden medizinischen Maßnahme. Weiters sollte eine Auflistung von Alternativen und Risikohinweise im Falle einer Behandlung und Nicht-Behandlung vorhanden sein. Eine Folge davon könnte sein, dass für den Nutzer eine höhere Sicherheit bei seiner Entscheidung für oder gegen eine medizinische Maßnahme entsteht (Wrag, Robinson & Liford, 2000).
2.) Transparenz über die angebotenen Informationen: Der Sinn besteht darin, dem Nutzer der Informationen deutlich zu machen, wer die Leistung anbietet und vor allem warum. Auch über die Autoren sollten Hinweise vorhanden sein, deren eigene Interessen und mögliche Sponsoren.
3.) Vermittlungsebene: Laut Fitzmaurice & Adams (2000) ist es notwendig, die Präsentation der Informationen in Bezug auf deren Ausführlichkeit und Verständlichkeit so zu gestalten, dass sie an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst sind, denn nur so kann eine breite Nutzergruppe erreicht werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass Patienten beispielsweise die Erfolgsaussichten subjektiv höher einstufen, wenn Experten eine Behandlung als Verringerung des Risikos zu sterben (Reduzierung des negativen Teils) darstellen und nicht als Zunahme der Wahrscheinlichkeit zu überleben (Büchi et al., 2000). Dadurch wird veranschaulicht, welchen grundlegenden Einfluss die Aufbereitung von Informationen auf den Konsumenten haben kann.
4.) Zugangsebene: Nachdem nicht alle Nutzer die gleichen Bedürfnisse in Bezug auf die gewünschte Informationen haben, wenden sie sich an unterschiedliche Einrichtungen des Gesundheitssystems (z.B.: Gesundheitsportale). Die Verbreitung von Informationen könnte verstärkt über niederschwellige Multiplikatoren wie beispielsweise dem Internet erfolgen (Jazbinsek, 2000).
Um die Ausprägung existierender partizipativer Prozesse in der Gesundheitsförderung besser beschreiben zu können, entstand in Anlehnung an die Arbeiten von Sherry Arnstein ein Stufenmodell (Arnstein, 1969). Es dient unter anderem dazu, den erreichten Partizipationsgrad von Personen einzuschätzen und auch der Konzipierung von Möglichkeiten zur Steigerung der Partizipation. Partizipation wird somit als ein Entwicklungsprozess verstanden. Es müssen zuerst entsprechende Vorstufen realisiert werden, bevor eine umfassende Zielgruppenbeteiligung an den Entscheidungsprozessen möglich wird. All jene Maßnahmen, die keine Möglichkeit zur Beeinflussung des Entscheidungsprozesses erlauben, sind als nicht partizipativ einzustufen.
Stufe der Instrumentalisierung: Im Mittelpunkt stehen die Interessen der Entscheidungsträger. Die Belange der Zielgruppe spielen keine Rolle.
Stufe der Anweisung: Externe Entscheidungsträger nehmen die Lage der Betroffenen wahr. Diese definieren die Probleme und legen gleichzeitig Maßnahmen zur Beseitigung oder Linderung fest. Die Meinung der Zielgruppe findet keine Berücksichtigung.
Stufe der Information: Der Zielgruppe wird mitgeteilt, welche Probleme aus Sicht der Entscheidungsträger festgestellt wurden und welche Form der Hilfe notwendig ist. Handlungsmöglichkeiten werden empfohlen und die entsprechende Vorgehensweise durch die Entscheidungsträger begründet und erklärt. Um die Akzeptanz der Informationsangebote zu erhöhen, wird der Standpunkt der Zielgruppe berücksichtigt.
Stufe der Anhörung: Die Sichtweise der Zielgruppe findet Gehör, jedoch besteht keine Kontrolle darüber, ob diese auch Beachtung findet.
Stufe der Einbeziehung: Ausgewählte Mitglieder der Zielgruppe stehen den Entscheidungsträgern als Berater zur Seite. Es besteht aber kein verbindlicher Einfluss auf die endgültige Entscheidung.
Stufe der Mitbestimmung: Um wesentliche Aspekte einer Maßnahme abzusprechen, halten die Entscheidungsträger Rücksprache mit Vertretern der Zielgruppe. Bei den Verhandlungen besteht Mitbestimmungsrecht aber keine alleinige Entscheidungsmacht.
Stufe der teilweisen Übertragung von Entscheidungskompetenz: Bestimmte Aspekte einer Maßnahme können mittels Beteiligungsrecht selbst bestimmt werden. Die Entscheidungskompetenz ist jedoch beschränkt.
Stufe der Entscheidungsmacht: Alle wesentlichen Aspekte einer Maßnahme werden durch die Mitglieder der Zielgruppe im Rahmen einer gleichberechtigten Partnerschaft unter allen beteiligten Akteuren bestimmt. Die außerhalb der Zielgruppe agierenden Akteure sind an der Entscheidungsfindung in Form von Begleitung oder Unterstützung beteiligt.
Stufe der Selbstorganisation: Die Initiierung und Durchführung eines Projektes wird von den Mitgliedern der Zielgruppe durchgeführt, entsprechende Entscheidungen durch alle Mitglieder der Zielgruppe werden eigenständig und eigenverantwortlich getroffen. Zumeist entstehen die Initiativen aus eigener Betroffenheit heraus.
Welche Rolle eine fehlende Möglichkeit zur Partizipation haben kann, zeigte Johnson et al. (1996) durch seine Einteilung der Bürger in „Monitors“ und „Blunders“. Seiner Ansicht nach zählt die erste Gruppe zu jenen, die nach Informationen suchen und am diagnostischen und therapeutischen Verfahren zur Entscheidungsfindung beteiligt werden wollen. Die Menschen die der Gruppe der „Blunders“ zugerechnet werden, lehnen eine aktive Rolle ab und fühlen sich schnell überfordert. Sie bevorzugen eine paternalistische und fürsorgliche Haltung der Experten (Dierks & Schwartz, 2001). Seligman (1995) behauptete schon früher, dass eine solche Einstellung und Hilflosigkeit nicht einfach vorhanden ist, sondern sie wird erlernt. Kommt es vor, dass stressige und angstauslösende Situationen über einen längeren Zeitraum hinweg von einer Person als unkontrollierbar erlebt werden, so entsteht eine Form der Resignation (die erlernte Hilflosigkeit). Der Verdacht liegt nahe, dass es sich bei den mangelnden Partizipationsbestrebungen der Patienten auch um eine Form der innerlichen Aufgabe handelt.
Alexander Riegler, MPH, EMPH, BSc.
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