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Unter Vorsorgeuntersuchungen versteht man medizinische Früherkennungsmaßnahmen, welche zur Vorbeugung von Erkrankungen dienen [1].
Um eine Früherkennungsuntersuchung handelt es sich nur dann, wenn die Untersuchung erfolgt, bevor die Krankheit Symptome verursacht. Diese Phase, in der eine Krankheit schon vorliegt, aber noch keine Symptome verursacht, wird als asymptomatische oder präklinische Phase bezeichnet. Wird die Untersuchung durchgeführt, wenn bereits Symptome vorliegen, handelt es sich hingegen um eine diagnostische Untersuchung. Die systematische Suche nach einer Krankheit in der asymptomatischen Phase in einer bestimmten Population wird als Screening bezeichnet [2].
„Screenings sind systematische Suchstrategien nach Kranken oder Gefährdeten mittels klinischer Tests, Befragungen und körperlicher Untersuchungen“ [2].
In Österreich gibt es die kostenlosen Vorsorgeuntersuchungen bereits seit 1974, diese stehen sowohl den Versicherten als auch den nicht versicherten Personen zur Verfügung. Sollte eine Person über keinen Versicherungsschutz verfügen, so übernimmt in diesem Fall das Gesundheitsressort die anfallenden Untersuchungskosten. Die Österreichische Ärztekammer und der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger bieten seit 2005 ein genderspezifisches medizinisches Programm an, es handelt sich dabei um die „Vorsorgeuntersuchung neu“, dieses soll nachweislich einen entsprechenden Gesundheitsnutzen für die Bevölkerung haben. Der Sinn einer solchen Untersuchung liegt darin, dass dadurch Krankheiten früher erkannt werden können und somit die Behandlung bereits vor dem Auftreten von Symptomen beginnen kann. Man erhofft sich dadurch auch, dass chronische Krankheiten rechtzeitig verhindert werden können [3].
Während die Primärprävention, die Vermeidung von Krankheiten, in den Gemeinden und Ländern verankert ist, ist die Sekundärprävention, die Krankheitsfrüherkennung durch Vorsorgeuntersuchungen, zum Großteil Delegationssache von Bund und Sozialversicherung. In den Jahren 2003 bis 2007 haben durchschnittlich rund 538.000 Frauen und 375.000 Männer bei einer Vorsorgeuntersuchung mitgemacht. Wenn man die Inanspruchnahme von gynäkologischen Vorsorgeuntersuchungen außen vor lässt, so zeigen Frauen und Männer fast eine idente Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen.
Mit Hilfe eines Screening-Programmes soll die Gesundheit der Bevölkerung verbessert werden. Die Mortalität und Morbidität einer Zielerkrankung gesenkt und die Lebensqualität allgemein gesteigert werden. Im Zuge der Untersuchungen treten immer wieder falsch positive Befunde auf, diese führen vielfach zu weiteren aufwändigen Untersuchungen (z.B.: Biopsien), diese gilt es so gering wie möglich zu halten. Ein Screening-Programm wird daher dann als besonders effektiv bezeichnet, wenn es nicht nur in der Lage ist, die Mortalität der Zielerkrankung, sondern auch die Gesamtmortalität zu senken [2].
Screenings sind nicht für jede Krankheit geeignet! Es muß sich vor allem einmal um eine bedeutsame Krankheit handeln, die Untersuchung selbst sollte preiswert und zuverlässig durchführbar sein und dabei eine frühe Erkennung der Krankheit ermöglichen, da wie bereits erwähnt, eine frühe Behandlung oftmals bessere Behandlungschancen bietet.
Bevor eine Früherkennungsmaßnahme zugelassen wird, muß der Nutzen mittels geeigneter Studien nachgewiesen werden. In diesen Studien gilt es vor allem zu zeigen, dass der Nutzen eindeutig größer ist als der mögliche zu erwartende Schaden. Screenings haben das Potential, dass mehr Krankheiten entdeckt werden, das heißt aber nicht, dass deswegen eine sofortige Senkung der Mortalität eintritt.
Im Zuge der Untersuchungen kann es zu Schäden am Körper kommen, diese werden dann als direkte Schäden (z.B.: durch Röntgenschäden) bezeichnet. Indirekte Schäden wiederum ergeben sich aus Schäden, die durch positive Befunde und deren Abklärung mit weiteren risikobehafteten Verfahren ergeben.
Früherkennungsmaßnahmen bringen es mit sich, dass Tumore gefunden werden, die möglicherweise ansonsten für immer unentdeckt geblieben wären. Das ist dann der Fall, wenn völlig harmlose Tumore entdeckt und therapiert werden, die aber möglicherweise nie auffällig geworden wären, da diese nicht weiter gewachsen wären oder sich selbständig zurück gebildet hätten. Dadurch, dass diese Tumore nie zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität geführt hätten, spricht man hier auch von einem Überdiagnosebias. Da man bis zum heutigen Tag aber nicht weiß, was einen weiterwachsenden von einem nicht-weiterwachsenden Tumor unterscheidet, wird jeder gefundene Tumor therapiert.
In Deutschland nahm dazu der gemeinsame Bundesausschuss wie folgt Stellung: „Die potentiellen Risiken von Früherkennungsuntersuchungen haben im Vergleich zur kurativen Therapie eine besondere Bedeutung, da nur wenige Individuen, die die Krankheit haben, davon profitieren, aber alle Teilnehmer diesen Risiken ausgesetzt werden“ [2].
Unsicherheiten können bei den Früherkennungsmaßnahmen nie ganz ausgeschalten werden. Fehler bzw. Verzerrungen, die bei derartigen Maßnahmen auftreten, werden als Bias bezeichnet.
Lead-Time-Bias: Aufgrund der Untersuchung wird eine Erkrankung, beispielsweise ein Tumor, bereits vor dem Auftreten von Symptomen erkannt. Durch diese Vorverlegung der Diagnose wird eine längere Überlebenszeit vorgetäuscht, ohne dass der Patient dabei wirklich einen Nutzen oder eine längere Lebensdauer hat. Ein solcher Bias tritt dann auf, wenn Krankheiten erkannt werden, die aber trotz einer früheren Erkennung nicht wirksam behandelt werden können. Obwohl die eingesetzte Therapie bereits in der präklinischen Phase begonnen hat, kommt es zu keiner Heilung oder zumindest zu einem günstigeren Therapieverlauf im Vergleich zu einer Behandlung, die erst begonnen hätte, wenn die ersten Symptome aufgetreten wären. Die Lebenszeit wird also durch die Behandlung nicht verlängert!
Die frühere Erkennung hat sogar einen Nachteil für den Patienten, denn die Zeit, die der Patient mit dem Wissen, einen Tumor zu haben, leben muß, verlängert sich durch die Früherkennung. Er weiß nun über seine Krankheit Bescheid, kann aber daraus keinen Nutzen ziehen.
Length-Time-Bias: Das Screening erkennt überwiegend langsam wachsende und wenig aggressive Tumore die im Allgemeinen eine günstigere Prognose haben. Dadurch entsteht der Eindruck, dass die gescreente Gruppe scheinbar einen Vorteil gegenüber der Gruppe ohne Screening hat.
Selektions-Bias: Ein derartiger Bias kommt durch den systematischen Ausfall bestimmter Personengruppen zustande, die nicht am Screening teilnehmen [2].
Vom Bundesministerium für Gesundheit in Österreich ist für 2013 ein neues Brustkrebsfrüherkennungsprogramm geplant, dieses sieht vor, dass alle Frauen in der Altersgruppe zwischen 45 und 69 Jahren einen Brief samt Überweisung zur wohnortnahen Untersuchung erhalten. Jüngere (40-44) und ältere (70-75) erhalten keine gesonderte Einladung, haben aber auch die Möglichkeit, an den Früherkennungsprogrammen teilzunehmen.
Dieses Programm umfasst zehn Röntgenuntersuchungen die sich über einen Zeitraum von 20 Jahren erstrecken. Das erklärte Ziel ist es, die Brustkrebssterblichkeit bei Frauen um 20 Prozent zu reduzieren und die Zahl der Brustkrebstodesfälle um 2.500 pro Jahr zu senken.
Zumeist bestehen die Früherkennungsmaßnahmen aus zwei Untersuchungsschritten. Anfangs wird festgestellt, ob es Anzeichen für die untersuchte Krankheit gibt. Im speziellen Fall des Mammographie-Screenings kommt es hier zur Anfertigung eines Röntgenbildes der weiblichen Brust.
Wird keine Auffälligkeit erkannt, das heißt, ein negatives Testergebnis liegt vor, dann ist die Untersuchung zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen. Kommt es jedoch zu einem positiven Testergebnis, so wird ein zweiter Untersuchungsschritt zur Sicherung der Diagnose eingeleitet. Beispielsweise die Entnahme von Gewebeproben zur histologischen Untersuchung [4].
Das Mammographie-Screening kann aber auch zu Schäden am weiblichen Körper führen. Innerhalb von 20 Jahren, wird bei zirka jeder zweiten Frau einmal ein positiver Befund erhoben. Falsch positive Ergebnisse treten dann auf, wenn sich im ersten Schritt ein Verdacht ergibt, die Krankheit aber in einer Folgeuntersuchung nicht bestätigt wird. Die Frauen werden dadurch unnötig belastet und Leben bis zur Bestätigung in der Angst, Krebs zu haben. Dieses Wissen wirkt sich verständlicherweise negativ auf die Lebensqualität der Betroffenen aus. Leider lassen sich diese falsch-postiven Ergebnisse nicht ganz ausschalten, denn im Röntgenbild können die zu erkennenden Zeichen auch oft gutartige und völlig harmlose Veränderungen sein.
Das Mammographie-Screening hat eine Sensitivität von zirka 75 Prozent. Von Sensitivität spricht man dann, wenn Kranke als Kranke erkannt werden. In diesem Fall bedeutet es, dass 75 Prozent aller Kranken auch als Kranke richtig erkannt wurden. Was aber wiederum heißt, dass 25 Prozent der Tumore unerkannt bleiben. Liegt somit ein negatives Ergebnis vor, so garantiert das nicht, dass kein Krebs vorhanden ist! Studien haben gezeigt, das keine oder in anderen Studien zumindest eine Frau von 1.000 untersuchten Frauen vom Mammographie-Screening profitiert.
Frauen die regelmäßig zum Screening gehen, sind auch einer erheblichen Strahlenbelastung ausgesetzt. Selbst wenn dieses nur alle zwei Jahre bei Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren durchgeführt wird, so kann es je nach zugrundeliegendem statistischen Modell, bei einer bis 24 von 10.000 Frauen zu einem zusätzlichen Brustkrebsfall kommen [2].
Das Screening kann dabei nicht zwischen gut- und bösartigen Veränderungen unterscheiden. Es kommt also vor, dass gutartige Veränderungen als bösartig eingestuft werden. Somit stellt einer von drei entdeckten Brustkrebs-Fällen somit eine Überdiagnose dar. Da sich dieser Tumor vielleicht zurückgebildet hätte oder nicht weitergewachsen wäre, wäre er nie auffällig geworden [12].
Die im Zuge der Feststellung eingeleiteten Therapien, beispielsweise eine Chemo- und Strahlentherapie, können hier somit ausschließlich Schaden verursachen. Der Sachverständigen Rat für Gesundheit hat dazu folgende Stellungnahme abgegeben: „Der durchschnittliche individuelle Nutzen eines bevölkerungsweiten Mammographie-Screenings ist gering. Nur eine kleine Zahl von Frauen profitiert tatsächlich“ [2].
Zum Abschluss möchte ich noch auf die mangelnde Aufklärung eingehen. Viele Frauen glauben, dass bereits die Untersuchung auf Brustkrebs der Vorsorge dient. Die gesetzten Früherkennungsmaßnahmen vermindern aber das Risiko an Brustkrebs zu erkranken aber in keinster Weise. Durch die Teilnahme am Mammographie-Screening-Programm wird im statistischen Vergleich die Lebenserwartung nicht verlängert [5].
Hinweis: In einem der nächsten Beiträge wird näher auf einen Zeitschriftenartikel eingegangen. Sind "Vorsorgeuntersuchungen - total unnötig?" - wie wird die Bevölkerung durch die Medien aufgeklärt und beeinflusst?
Danksagung: Ich danke Frau Julia Traußnig (FH Kärnten, GPM VZ, 2012-2S) für die freundliche Erlaubnis, ihre Zusammenstellung als Grundlage für diesen Text verwenden zu dürfen.
Literaturquellen
1 http://de.wikipedia.org/wiki/Vorsorgeuntersuchung, 27.11.2012
2 Klemperer, David: Sozialmedizin. Public Health. 1. Auflage. Bern: Huber, 2010.
3 http://www.bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Praevention/Vorsorgeuntersuchung, 12.07.2012
5 http://www.drmueck.de/Wissenschaftsinfos/Praevention/Vorsorgeuntersuchungen_Schaden_Nutzen.htm
Alexander Riegler, MPH, EMPH, BSc.
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