Risk Literacy - Ein Leben mit Wahrscheinlichkeiten

Risk Literacy - Ein Leben mit Wahrscheinlichkeiten

„Eine effiziente Gesundheitsversorgung braucht gut informierte Ärzte und Ärzte und noch mehr Patienten verstehen die verfügbaren medizinischen Daten und Forschungsergebnisse nicht. Sieben „Sünden“ sind mitverantwortlich für diesen Wissensmangel: profitorientierte Finanzierung, irreführende Berichterstattung in medizinischen Zeitschriften, einseitige Patientenbroschüren, irreführende Darstellungen in den Medien, Interessenkonflikte, defensive Medizin und Ärzte, die statistische Evidenz mangelhaft verstehen.“ (Gigerenzer & Gray, 2011).

 

Risk Literacy 

Bevor wir uns nun aber weiter diesem Thema widmen, soll an dieser Stelle geklärt werden, was der Begriff „Risk Literacy“ bedeutet.

Risk wird in den online Wörterbüchern mit Risiko, Gefahr oder Wagnis übersetzt, Literacy als „abilty to read and write“, also der Befähigung zum Lesen und Schreiben. Gerade diese beiden Fähigkeiten sind aber eine wesentliche Voraussetzung für die Teilhabe an einer funktionierenden Demokratie. Heutzutage reicht es aber nicht mehr aus, nur lesen und schreiben zu können. Durch den rasanten technischen Fortschritt des 21. Jahrhunderts ist es notwendig geworden, über eine entsprechende Risk Literacy zu verfügen. Risk Literacy ist somit die Fähigkeit, mit vorhandenen Unsicherheiten adäquat umgehen zu können.

In vereinfachten Worten gesagt heißt es, dass Personen erkennen sollen, welche Gefahren hinter den verschiedenen Empfehlungen unser Gesundheitsapostel stehen. Ist es wirklich so ungefährlich wie es uns verkauft wird oder ist es vielleicht sogar noch besorgniserregender? Es geht somit um gesellschaftliche Risiken und Biopolitik (Tolmein, 2009).

 

Ohne diese neue Eigenschaft setzen Menschen ihre Gesundheit und ihr Geld unfreiwillig aufs Spiel, des Weiteren kann durch die Bildung dieser Eigenschaften dazu beigetragen werden, dass in Summe geringere Kosten in unserem Gesundheitssystem entstehen. Daher ist es wichtig, dass Verantwortliche und Politiker erkennen, dass eine umfangreiche Befähigung der Bevölkerung in Bezug auf Risk Bürger sollen nicht länger nur mehr auf die Empfehlungen von Experten hören, sondern dazu ermutigt und befähigt werden, eigenständige Entscheidungen auf Basis von guten Informationen zu treffen. Daher empfiehlt es sich, dass dieses Wissen bereits früh in Schulen fächerübergreifend vermittelt wird (Gigerenzer, o. A.).

Anhand einiger Beispiele möchte ich Ihnen noch die Bedeutung dieses Themas verdeutlichen. Die unten angeführten Beispiele sind dem Kapitel „Aufbruch in das Jahrhundert des Patienten“ von Gerd Gigerenzer und Muir Gray entnommen.

 

  • Laut Sirovich und Welch (2004) wurden in Amerika bei fast zehn Millionen Frauen PAP-Striche zur Zervix-Krebserkennung durchgeführt. Diese waren unnötig, da diese Frauen nach einer Hysterektomie gar keine Zervix mehr hatten. Die Frauen hatten dadurch keinen Nachteil, trotz allem kosteten dem Gesundheitssystem diese Untersuchungen Millionen und vergeudeten enorme Ressourcen.
  • Brenner und Hall (2007) zeigten in ihren Studien auf, dass in Amerika jedes Jahr über eine Million unnütze CT (Computertomographien) bei Kindern durchgeführt werden. Die 70 Millionen CT-Scans die in Amerika jedes Jahr durchgeführt werden, haben laut Gonzalez et al (2009) schätzungsweise 29.000 Krebserkrankungen zur Folge. Würde die Bevölkerung besser über die möglichen Gefahren und Folgen Bescheid wissen, dann würden sie vermutlich nicht so leichtfertig diese Untersuchung über sich ergehen lassen.
  • Gigerenzer (2007) konnte mittels einer repräsentativen Studie zeigen, dass die Unwissenheit nicht einzig und alleine in der amerikanischen Bevölkerung zu finden ist. 10.228 Menschen wurden in neun verschiedenen Ländern über den Nutzen und die Sinnhaftigkeit von PSA- und Mammographie-Tests befragt. Es hat sich klar gezeigt, dass diese von den Befragten um das 10- oder sogar bis zu 100–Fache überschätzt wurden oder nichts darüber wussten.
  • Ein Fall der die britische Öffentlichkeit schockiert hat. Die Presse meldete dort, dass durch die Einnahme der Antibabypille der dritten Generation das Risiko einer Thrombose um 100% erhöht werde, daraufhin haben viele Frauen die Pille in Panik abgesetzt. Die Folgen waren geschätzte 14.000 Abtreibungen und Kosten von 4 bis 6 Millionen britischen Pfund. Tatsächlich nahm das Risiko relativ um 100% zu, das absolute Risiko nahm jedoch „nur“ von 1 auf 2 von jeweils 7000 Frauen zu. Wären diese Zahlen kommuniziert worden und ein entsprechendes Zahlenverständnis vorhanden gewesen, so wäre eine derartige Aufregung wohl vermeidbar gewesen (Tolmein, 2009).

 

Wo liegen nun die Schwächen der mangelnden Gesundheitskompetenz?

 

Gewinnorientierte Forschungsfinanzierung

+ Irreführende Berichterstattungen in den medizinischen Fachzeitschriften

+ Irreführende Berichterstattung in den Medien

+ Kommerzielle Interessenskonflikte

+ Defensive Medizin

+ Mangelndes Verständnis der Ärzte von statistischer Evidenz

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Das Resultat ist der falsch informierte Patient

 

Eine genauere Aufschlüsselung und Beschreibung der oben genannten Punkte finden Sie unter „Aufbruch in das Jahrhundert des Patienten“.

Weiter interessante Literatur zu diesem Thema finden Sie auf der Homepage des Marx-Plank-Institutes in Berlin, dort ansässig ist auch das Harding-Center for Risk-Literacy unter der Leitung von Gerd Gigerenzer. Besonders empfehlen möchte ich hier die frei zugänglichen Texte aus dem Buch „Better Doctors, Better Patients, Better Decisions: Envisioning Health Care 2020“.

 

Launching the Century of the Patient – Englische Originalversion
Gerd Gigerenzer and J. A. Muir Gray

Aufbruch in das Jahrhundert des Patienten – Deutsche Übersetzung
Gerd Gigerenzer und J. A. Muir Gray

 

When Misinformed Patients Try to Make Informed Health Decisions
Wolfgang Gaissmaier and Gerd Gigerenzer

What Is Needed for Better Health Care: Better Systems, Better Patients or Both?
Markus A. Feufel, Gerd Antes, Johann Steurer, Gerd Gigerenzer, J.A. Muir Gray et al.

Statistical Illiteracy in Doctors
Odette Wegwarth and Gerd Gigerenzer

12 Barriers to Health Information and Building Solutions
Talya Miron-Shatz, Ingrid Mühlhauser, Bruce Bower et al.

How Will Health Care Professionals and Patients Work Together in 2020? A Manifesto for Change; Ralph Hertwig, Heather Buchan, David A. Davis, Wolfgang Gaissmaier et al.

 

Buchtipp: "Better Doctors, Better Patients, Better Decisions: Envisioning Health Care 2020".

 

Literaturverzeichnis

Tolmein O. (2009). Bioethische Bildungspolitik: Risk Literacy wird etabliert. F.A.Z. – Community. http://faz-community.faz.net

Gigerenzer G. (o. A.). The World Question Center 2011. http://www.edge.org

Gigerenzer G. & Gray M. (2011). Aufbruch in das Jahrhundert des Patienten. In Gerd Gigernenzer & J. A. Muir Gray (2011). Better Doctors, Better Patients, Better Decisions: Envisioning Health Care 2020.

Nimm Kontakt auf

Alexander Riegler, MPH, EMPH, BSc.

 

Lilienthalgasse 14/1

8020 Graz

Tel.: +43 664 423 36 24

Email: office@alexanderriegler.at

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